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Interview mit Klimaaktivistin Annika Rittmann

Annika Rittmann ist Klimaaktivistin und Pressesprecherin von Fridays for Future. Außerdem studiert sie in Hamburg Mensch-Computer Interaktion. In diesem Interview erklärt sie unter anderem, welchen Einfluss digitale Technologien auf ihre politische Arbeit haben und plädiert für eine ehrliche Debatten über die Möglichkeiten verschiedener Technologien, ohne diese als Allheilmittel darzustellen.

Jede*r Dritte (33,3 %) nutzt digitale Medien, um Informationen über den Klimawandel zu teilen, sich zu vernetzen und politisch zu engagieren. Bei den unter 25-Jährigen ist es sogar jede*r Zweite (54,2 %). Welche Rolle spielen soziale Medien Ihrer Meinung nach im Kampf gegen den Klimawandel? 

In einer Welt, in der die Klimakrise jahrzehntelang kleingeredet wurde, haben uns soziale Medien die Möglichkeit gegeben, Menschen zu informieren und zu mobilisieren. Durch soziale Medien war es Fridays for Future möglich, Menschen zu erreichen, sie einzubeziehen und auf die Straßen zu bringen und zu zeigen: Wir alle sind gefragt, gegen diese Krise zu kämpfen.

 

Während sich fast jede*r Zweite unter 25-Jährigen online engagiert, ist es bei der älteren Generation nur jede*r fünfte (20,3 %). Wie kann es gelingen, dass sich auch ältere Menschen an den Klimadebatten im Internet beteiligen? 

Schon heute engagieren sich unzählige Menschen verschiedener Generationen mit unterschiedlichen Motiven gegen die Klimakrise. Dabei ist es normal, dass dieses Engagement in diversen Formen und an zahlreichen Orten stattfindet. Wichtig ist, dass sowohl im Internet als auch auf dem Schulhof sowie am Küchentisch so viele Menschen wie möglich aus verschiedenen Generationen über die Klimakrise reden und am Ende gemeinsam auf der Straße Veränderung einfordern. Der Diskurs darf nicht nur im Internet stattfinden.

 

Etwa Zweidrittel der Menschen (61,2 %) glauben, dass der politische Einfluss der Menschen, die sich gegen den Klimawandel einsetzen, durch das Internet gewachsen ist. Teilen Sie diese Meinung? Inwiefern verändern digitale Medien auch Ihre politische Arbeit? 

Das Internet hat uns neue Möglichkeiten gegeben, uns miteinander zu vernetzen und zu der globalen Bewegung zu werden, die wir sind. Wir treffen uns sowohl international als auch innerhalb Deutschlands in Zoom-Räumen und Chatgruppen. Vor drei Jahren hätte wohl niemand von uns gedacht, dass man mit engagierten Menschen, einem Messenger und einem Videokonferenztool eine riesige Bewegung bauen kann. 

 

Leider verbreiten sich auch immer wieder Falschinformationen über das Internet und Soziale Medien. Was braucht es, um besser gegen Falschinformationen und Falschinformationskampagnen gewappnet zu sein? 

Die Wege, die in der Corona-Informationspolitik gegangen wurden, halte ich für einen ersten wichtigen Schritt. Das bedeutet: sensible Themen kennzeichnen und verlässliche Quellen anbieten. Ich glaube nicht, dass wir gänzlich verhindern können, dass in Sozialen Medien Falschinformationen auftauchen. Wichtig ist aber, dass diese nicht dazu führen, dass Menschen immer tiefer bspw. in Filterblasen gezogen werden – dazu bräuchte es z. B. klare Vorgaben für Vorschlagsalgorithmen.

 

Fast die Hälfte der Menschen (43 %) fühlt sich nicht ausreichend über den möglichen Nutzen digitaler Technologien für den Umwelt- und Klimaschutz informiert und etwa 74,1 % der Menschen wünschen sich mehr Aufklärung darüber, wie digitale Technologien zur Bekämpfung der Klimakrise und für die Umwelt eingesetzt werden können. Was läuft in der Kommunikation schief und wie kann eine bessere Aufklärung gelingen? 

Sobald es um Technologie geht, hängen wir als Gesellschaft in einer ideologisch und von Angst aufgeladenen Debatte. Diese basiert auf einer jahrzehntelangen Erzählung, dass irgendwann „die eine“ Technologie kommt, die alle unsere Probleme löst, sodass wir das System, in dem wir leben, nicht verändern müssen. Um eine ehrliche Debatte zu führen, müssen wir diese Erzählung hinter uns lassen und anerkennen, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher. Danach können wir feststellen, dass es bereits alle notwendigen Technologien gibt, und diese einzeln auf ihren Einsatzzweck prüfen. Natürlich schließt das nicht aus, dass weiterentwickelte KI langfristig unser Stromnetz regulieren wird. Kurzfristig müssen wir allerdings anfangen, ehrliche Debatten über die Möglichkeiten verschiedener Technologien zu führen, ohne diese als Allheilmittel darzustellen.

 

 

„Vor drei Jahren hätte wohl niemand von uns gedacht, dass man mit engagierten Menschen, einem Messenger und einem Videokonferenztool eine riesige Bewegung bauen kann.”