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Interview mit Dr. Jens Brandenburg

Dr. Jens Brandenburg ist seit 2021 parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung Frau Bettina Stark-Watzinger. In diesem Interview erklärt er, wie Nachhaltigkeit und Informatik in der Schule zukünftig stärker verknüpft werden können. 

 

Das Thema Nachhaltigkeit verknüpfen viele Menschen mit Fächern wie Biologie, Chemie oder Wirtschaft. Welche Rolle spielt die Informatik beim Thema Nachhaltigkeit?

Das Thema Nachhaltigkeit sollte sich in allen Schulfächern wiederfinden und von der gesamten Schule mitgedacht werden – etwa bei der Ausgestaltung des Schulgebäudes oder in der Kantine. Im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wird von einem ‚Whole Institution Approach‘ gesprochen, d. h. die komplette Institution Schule sollte nachhaltiger werden. Daher sollte sich auch das Fach Informatik mit Fragen der Nachhaltigkeit befassen.

Die Nachhaltigkeitswissenschaften und die Bildung für nachhaltige Entwicklung befassen sich intensiv mit dem Thema Digitalisierung. Da denke ich etwa an das Hauptgutachten des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ (2018). Auch die Nationale Plattform BNE hat sich zum Thema ‚BNE und Digitalisierung' positioniert – auch weil das neue UNESCO-Programm BNE 2030 als eines von drei Schwerpunkten das Thema ‚technologische Fortschritte‘ gesetzt hat. Und da geht es nicht nur um Energie- und Ressourcenverbrauch, sondern um die Möglichkeiten, die Digitalisierung insgesamt nachhaltig auszugestalten.

 

Der Nachhaltigkeitsmonitor zeigt: Zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind der Meinung, Nachhaltigkeitsbildung und informatische Bildung sollten stärker miteinander verbunden werden. Wie kann das gelingen?

Das fängt schon beim Thema Medienkompetenz an, d. h. beim kritischen und reflektierten Umgang mit Informationen. Das Lernen mit digitalen Medien ist dann fruchtbar, wenn es durch eine unterstützende Lernkultur befördert wird. BNE bietet dafür Ansätze und Lösungen. Sie soll Transformationsprozesse verstehen und an ihnen mitwirken.

Die sozialen, ökologischen und ökonomischen Chancen und Risiken der Digitalisierung sollten in der Schule insgesamt reflektiert werden. Das sollte in den Lehrplänen der Informatik und in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften verankert werden.

 

60 % der Menschen in Deutschland wünschen sich, dass Informatik in der außerschulischen Bildung eine größere Rolle spielt. Was braucht es, damit das Realität wird?

Dazu braucht es vereinte Kräfte, die passenden Strukturen und attraktive Angebote für die Zielgruppe. Genau dafür setzen wir uns ein. Einerseits fördert das BMBF verschiedene Formate von Informatik-Wettbewerben, in guter und bewährter Kooperation mit der GI. Damit erreichen wir Schülerinnen und Schüler in der Breite, aber auch an der Leistungsspitze. Am seit 2007 stattfindenden Informatik-Biber, Deutschlands größtem Informatik-Schülerwettbewerb, der als Motivationsformat konzipiert ist, beteiligen sich jährlich Hunderttausende von Schülerinnen und Schülern. 2021 gab es mit über 428.000 Teilnehmenden sogar einen neuen Rekord. Besonders erfreulich: Im Grundschulbereich waren mit über 14.000 Teilnehmenden so viele Kinder wie nie dabei - und auch der Mädchenanteil ist mit rund 46 % so hoch wie nie! Neben dem Jugendwettbewerb Informatik gibt es mit dem Bundeswettbewerb Informatik, der aktuell zum vierzigsten Mal stattfindet, ein klassisches Leistungsformat.

Andererseits bauen wir über unser MINT-Cluster-Förderprogramm die außerschulischen MINT-Angebote in der Fläche aus. MINT-Cluster sind regionale Verbünde von Bildungsvereinen, Hochschulen, Schülerlaboren und Forschungszentren, Stiftungen, Bildungsträgern, regionalen Wirtschaftsverbänden, Unternehmen etc. Im Zusammenschluss vernetzen sie systematisch die MINT-Angebote in der Region, bauen sie aus und verstetigen diese.

Bereits 22 MINT-Cluster in 14 Bundesländern sind mit tollen Nachmittagsangeboten für 10- bis 16-jährige Schülerinnen und Schüler gestartet. Dazu gehören Angebote zum Programmieren, auch speziell für Mädchen, mobile Makerspaces, 3D-Druck-Werkstätten, VR-/AR-Techniken, Blended Learning und vieles mehr. Im Sommer sollen etwa 30 weitere Cluster-Verbünde ihre Arbeit aufnehmen und die Angebote auch in anderen Regionen verstärken. Unterstützend zeigt unsere Kommunikationsoffensive #MINTmagie den Jugendlichen über Social Media, wie spannend MINT-Wissen ist. Dazu gehört auch ein Videotutorial zum Coding für den 3D-Druck, mit dem Schülerinnen und Schüler lernen, Alltagsgegenstände produktionsreif zu programmieren oder selbst erdachte kreative Produkte zu entwickeln.  

Die Lernmotivation steigt, wenn ein Anwendungsbezug gegeben ist. Die außerschulischen Lernangebote spielen deshalb eine wichtige Rolle, auch für die Informatik. Die kommunale Vernetzung zwischen formalen, informellen und non-formalen Akteuren wird durch das neue Programm „Bildungskommunen“ des BMBF unterstützt, das mit der Förderung von digital-analogen Vernetzungsstrategien und kommunalen Bildungsportalen auch einen starken Schwerpunkt auf den Bereich der digitalen Bildung legt.

Mehr als die Hälfte der Menschen spricht sich dafür aus, dass die Software und Hardware, die in der Schule genutzt wird, ausschließlich von nachhaltigen Unternehmen kommen sollte. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Den rasant steigenden Energie- und Ressourcenverbrauch durch Hard- und Software müssen wir nachhaltiger gestalten. Das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit und ganz aktuell auch eine Frage der außenpolitischen Unabhängigkeit. Das erfordert Kreativität und Innovationskraft. Der Transfer der Ergebnisse der Nachhaltigkeitsforschung sollte in alle Lebensbereiche erfolgen, nicht zuletzt in die Schule.

„Die sozialen, ökologischen und ökonomischen Chancen und Risiken der Digitalisierung sollten in der Schule insgesamt reflektiert werden.“