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Interview mit Dr. Peer Stechert

Dr. Peer Stechert ist Informatiklehrer und Sprecher des Fachausschusses „Informatische Bildung in Schulen“ (IBS) der Gesellschaft für Informatik. Im Interview spricht er über digitale Technologien im Unterricht und warum ein Pflichtfach Informatik auch eine Gerechtigkeitsfrage ist.

 

Herr Stechert, laut Nachhaltigkeitsmonitor sind drei Viertel der Menschen in Deutschland (76 %) der Meinung, dass es mehr informatische Bildung in der Schule braucht, um die Probleme der Zukunft zu lösen. Bei den älteren Menschen zwischen 55 und 75 Jahren sind es sogar 85 %. Warum ist Informatik für die Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen so wichtig?

Informatik durchdringt unseren Alltag. Immer und überall haben wir unser Smartphone dabei und nutzen Computer und elektronische Geräte zum Bezahlen, als Haushaltshilfen und zur Freizeitgestaltung. In den meisten Wissenschaften und Berufen sind in den letzten Jahren viele Innovationen unter Nutzung von Informatik entstanden. In der Informatik sprechen wir davon, dass Computer universell sind: Abhängig von ihrer Programmierung können sie fast jedes Problem lösen. Das setzt aber voraus, dass wir die Systeme auch verstehen, gestalten und gemeinwohlorientiert nutzen können. Dafür braucht es technische, kulturelle und anwendungsbezogene Kompetenzen. Die sich beschleunigende digitale Transformation erlaubt es uns nicht, uns zurückzulehnen.

 

Fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland sagen, dass gerade für Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 17 Jahren mehr informatische Bildungsangebote bereitgestellt werden sollten. Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit das Realität wird?

Aus meiner Sicht braucht es in den Kultusministerien der Bundesländer noch den letzten Impuls, Informatik als Pflichtfach einzuführen – und damit insbesondere die Bereitschaft, auch die bisherigen Fächer und ihre Inhalte auf den Prüfstand einer zeitgemäßen Bildung zu stellen. Der aktuelle Informatik-Monitor der Gesellschaft für Informatik zeigt sehr deutlich, dass Informatik in vielen Bundesländern in der Schule noch keine wesentliche Rolle spielt. Wir müssen aber gewährleisten, dass alle Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit bekommen, unsere digitale Welt zu verstehen und zu gestalten. Das ist schlicht eine Gerechtigkeitsfrage.

 

Vier von fünf der 25- bis 34-Jährigen (81 %) hätten in der Schule gern mehr Informatik gehabt. Überrascht Sie diese hohe Zahl?

Nein, denn diese Personengruppe hat Studium oder Ausbildung hinter sich und die Berufswelt als Ort digitaler Innovationen kennengelernt. Hier dürfte Vielen schmerzlich bewusst werden, welchen Stellenwert die Informatik in einer auf Vernetzung, Automatisierung und Digitalisierung ausgerichteten Arbeitswelt hat. Natürlich muss nicht jede Person ein Informatikstudium oder eine Informatikausbildung abschließen, um sich darin zurechtzufinden, aber ohne Grundlagen wird es zunehmend schwer.

 

Nur die Hälfte (52 %) der Menschen in Deutschland glaubt, dass digitale Technologien wie Computer, das Internet oder Lernapps dazu beigetragen haben, die Bildung in Deutschland besser zu machen. Ein Drittel (32 %) glaubt das nicht. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Digitale Technologien sind kein Selbstzweck. Sie entfalten ihren Nutzen erst durch eine reflektierte Anwendung, auch in der Schule. Das erfordert entsprechende Kompetenzen, sowohl auf Seiten der Lehrkräfte als auch auf Seiten der Schülerinnen und Schüler. Erst dann sprechen wir von einem zeitgemäßen Einsatz. Die isolierte Betrachtung von digitalen Technologien ist deswegen selten zielführend, denn die Technologie allein macht Unterricht nicht besser. Deswegen ist es essenziell, dass wir unsere Lehrkräfte besser ausbilden und ihnen mehr informatische und medienpädagogische Grundlagen vermitteln. Die versetzen sie in die Lage, besser abzuwägen, welche Technologien in ihrem Unterricht wo Sinn machen – aber sich ebenso auch bewusst dazu zu entscheiden, bei Stift und Papier zu bleiben.

„Die digitale Transformation erlaubt es uns nicht, uns zurückzulehnen.“